„Sprache als wesentliche, gemeinsame Klammer und Brücke zwischen den Nationen“

Ulrike Guérot, streitbare Kämpferin für ein vereinigtes Europa, Leiterin des Departments für Europapolitik und Demokratieforschung der Donau-Universität Krems, wurde gestern, Montag, mit dem Paul-Watzlawick-Ehrenring der Ärztekammer für Wien ausgezeichnet. Gleichzeitig erschien in der Reihe ifa-Edition im Steidl Verlag auch ihr neues Buch „Was ist die Nation?“

In ihrer Dankesrede verweist Guérot auch auf Paul Watzlawick und dessen Erkenntnis: „Es kann nicht nicht kommuniziert werden“ und dessen Forderung, dass Kommunikation synchron sein müsse, nämlich den gleichen Wissenstand der Beteiligten verlange. „Watzlawick war Europäer. Gerade in seiner Sprachtheorie“, so Guérot. Die Veranstaltung im RadioKulturhaus (Großer Sendesaal) war herausragend besucht – ein Beweis für die hohe Wertigkeit des Themas, des Ereignisses und der Preisträgerin des Jahres 2019.

(v.l.n.r.) Veronica Kaup-Hasler (Stadträtin für Kultur- und
(v.l.n.r.) Veronica Kaup-Hasler (Stadträtin für Kultur- und Theaterwissenschaften), Ulrike Guérot (Preisträgerin des Paul-Watzlawick-Ehrenrings 2019), Thomas Holzgruber (Kammeramtsdirektor der Ärztekammer für Wien)
© Stefan Seelig

Der Vorsitzende der unabhängigen Jury, Dr. Erhard Busek gibt es auf den Punkt:

Frau Prof. Guérot ist ein Exemplar einer akademischen Lehrerin, von der es mehr geben müsste: Guérot ist aktiv engagiert, innovativ und n i c h t angenehm! Ihr geht es nicht um Rückblick, sondern Zukunft! Sie weiß auch mit Medien umzugehen und ist orientiert auf Bildung für Gegenwart und Zukunft! „

Eine gemeinsame europäische Sprache

Ulrike Guérots Rede war engagiert, neben Assoziationen zur Sprachtheorie von Paul Watzlawick nahm Guérot auch Bezug auf die aktuelle politische Diskussion: „Wenn wir eine solche politische, radikale, populistische und klare Sprache für und in Europa wiederfänden, eine Sprache eben, die ihre Funktion erfüllt, nämlich allen EuropäerInnen einen Silberstreifen am Horizont, ein politisches Ziel zu geben und dieses klar zu umreißen, ein Ziel, das Europa wieder zu einem Sehnsuchtsort macht, dann wäre es egal, welche Sprachen wir in Europa sprechen: die tatkräftige, weitere Ausgestaltung der europäischen Einigung, nach der sich die große Mehrheit der europäischen BürgerInnen Umfragen zufolge nach wie vor sehnt, könnte auf der politischen Werkbank Kontinentaleuropas in allen europäischen Sprachen und Dialekten stattfinden, die auf dem Kontinent vertreten sind – und das sind ohnehin viel, viel mehr als die offiziellen Amtssprachen der EU.“

Die Utopie ist maßlos

„Die Utopie ist maßlos.:“ meinte Heinz Sichrovsky, Kulturchef bei News und Moderator der ORF3 Büchersendung, in seiner Laudatio auf Ulrike Guérot und zitiert aus einer ihrer Schriften: „Die Tatsache, dass wir jede gesellschaftliche Utopie verloren haben, ja nicht einmal mehr fähig sind, politisch und wirtschaftspolitisch in Alternativen zu denken, wird in der politischen Theorie seit Jahren breit diskutiert.“. Guérot geht über das diskutieren hinaus, meinen Sichrovsky und meinte damit das Balcony-Project, initiiert von der Preisträgerin. „Und deshalb riefen 100 Jahre später an etwa 150 europäischen Plätzen Künstler die europäische Republik aus. Sie taten das in einer Zeit, in der sich Nationalismus in seiner ekelhaften Gestalt nicht nur, aber auch massiv in Europa breitgemacht hatte.“

Nach der Verleihung und der Dankesrede von Ulrike Guérot, fand eine Diskussion zwischen der Preisträgerin und herausragenden österreichischen Intellektuellen, über die Vision Europas, statt. Teilnehmer waren Franz Schuh, Isolde Charim. Es moderierte Günter Kaindlstorfer, der auch die „Buch Wien“ inhaltlich gestaltet. Die Diskussion wurde vom ORF3 aufgenommen und wird am 17. Oktober um 23:45 ausgestrahlt. Live konnte man erstmals über Facebook dabei sein.

(v.l.n.r) Günter Kaindlstorfer (Moderator),Ulrike Guérot (Preisträgerin des Paul-Watzlawick-Ehrenrings 2019), Franz Schuh (Essayist und Wissenschafter), Isolde Charim (Philosophin und Publizistin) © Stefan Seelig

Eine Europäerin aus Einsicht und mit Verve

Aufsehen erregte sie gemeinsam mit dem Schriftsteller Robert Menasse und anderen Intellektuellen mit dem Projekt „Balcony“ im Vorfeld der EU-Wahlen.

Paradigmatisch steht im Einführungstext ihres Buches „Warum Europa eine Republik werden muss“ – eine Vision: „Es ist Zeit, Europa neu zu denken. Weg mit der Brüsseler Trilogie aus Rat, Kommission und Parlament! Die Nationalstaaten pervertieren die europäische Idee und spielen Europas Bürger gegeneinander aus. Europa muss aber heißen: Alle europäischen Bürger haben gleiche politische Rechte. Vernetzt die europäischen Regionen! Schafft ein gemeinsames republikanisches Dach! Wählt einen europäischen Parlamentarismus, der dem Grundsatz der Gewaltenteilung genügt! Dieser Text ist ein utopisches Experiment. Res publica bedeutet Gemeinwohl – daran fehlt es in der EU heute am meisten. Die Idee der Republik ist von Aristoteles bis Kant das normale Verfassungsprinzip für politische Gemeinwesen. Wenden wir es doch einmal auf Europa an. Bauen wir Europa neu, damit sich die Geschichte der Nationalismen nicht wiederholt. Damit Europa in der Welt von morgen nicht untergeht, sondern zur Avantgarde auf dem Weg in eine Weltbürgerunion wird.“

 

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